„Niemand flieht freiwillig“

21. September 2020

Letzte Woche saß ich im Zug nach Hause und in dem Vierer gegenüber saß ein Ehepaar mit großen Wanderrucksäcken. Ich dachte mir, wie aufregend, ein junges Ehepaar, welches durch Europa reist. Als wir anfingen uns ein bisschen zu unterhalten, erzählte mir die Frau dass sie fünf Monate als Ärztin im Flüchtlingslager auf Lesbos gearbeitet hatte. Wow. Also doch kein Urlaub durch Europa. Es war so bewegend zu sehen, wie sie sich für die Geflüchteten eingesetzt hat.

Denn ich habe das Gefühl, dass sich die Welt in letzter Zeit nur um Corona dreht, die News nur noch über die neusten Infektionszahlen schreiben und wir alle daheim den etwas anderen Alltagstrott leben.

Es ist krass, wie abgebrüht wir geworden sind. Ich stelle mir die Frage: Wie oft hab ich mir in letzter Zeit Gedanken über die Menschen gemacht, die aus verschiedenen Gründen ihr Land verlassen mussten und ein neues, sicheres Zuhause suchen? Erschreckend: denn vor der Zugfahrt hab ich keinmal darüber nachgedacht. Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen.

Flucht und Migration bedeutet das Fliehen vor einer Gefahr, das Verlassen eines Ortes oder Landes, die Abwanderung in ein anderes Land.

Warum müssen Menschen ihr zu Hause verlassen?

 Die UNO Flüchtlingshilfe zählt verschiedene Gründe auf:

https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluchtursachen/

  • Krieg und Gewalt: die Angst um das eigene Leben, das Leben der Kinder, der Familien
  • Menschenrechtsverletzungen: aus ethnischen, religiösen, geschlechtsspezifischen Gründen diskriminiert oder verfolgt
  • Hunger: nicht genügend Lebensmittel, Dürre
  • Klima und Umwelt: Naturkatastrophen, von Menschen gemachte Umweltzerstörung

„Niemand flieht freiwillig“

Manchmal frage ich mich, wie ich mich fühlen würde, wenn ich in ein komplett fremdes Land fliehen müsste. Die Kultur in der ich aufgewachsen bin muss ich verlassen, und mich auf eine neue Kultur einlassen- wenn ich es überhaupt in ein Land schaffe und nicht in einem Lager feststecke. Hungrig und müde, emotional total verwirrt und traumatisiert.

Es ist schwierig sich das vorzustellen, vor allem wenn man in einem so sicheren Land wie Deutschland aufgewachsen ist. Sich nicht um sich selbst zu drehen und den Blick zu öffnen für die Not die um einen herum passiert.

Wie sieht ein Flüchtlingslager in Zeiten von der Pandemie aus?

Abstand halten ist schwierig- in dem Flüchtlingslager Moria in Lesbos leben 20.000 Menschen in dem für 3.000 Menschen erbauten Lager. Unter den Geflüchteten leben rund 8.000 Kinder. Die Frau erzählte mir im Zug, dass aufgrund der derzeitigen Situation auch die Schule schließen musste und die Kinder somit keine Perspektive auf Bildung haben. Ihr ist aufgefallen, dass den Eltern in dem Lager die Zukunft der Kinder am wichtigsten ist und sie sich eine gute Bildung für sie wünschen. Durch die schlechten Hygienezustände kann aber in der auf dem Lager erbauten Schule keine Regelungen eingehalten werden.

Ein Wasserhahn pro 1.300 Bewohner

Der Mangel an sauberem Wasser, Strom und sanitären Anlagen führt auch dazu, dass man sich hier nicht gründlich die Hände waschen kann und Krankheiten sowie die Verbreitung dieser sind vorprogrammiert. https://de.statista.com/infografik/21169/daten-und-fakten-zum-fluechtlingslager-moria-auf-lesbos/

Was kann ich tun?

Caritas Deutschland zählt auf: auch in Zeiten von Corona kann man sich für Geflüchtete engagieren

  • Übersetzung und Information zur aktuellen Situation
  • Spiele und Materialien für Familien
  • Hausaufgabenhilfe
  • Digitaler und telefonischer Kontakt

Außerdem gibt es einige Organisationen, die sich für die Arbeit mit Geflüchteten einsetzen. Die Organisation Hilfe Konkret setzt sich für Geflüchtete ein,  die sich gerade auf der Balkanroute befinden. http://www.hilfekonkret.de/spenden/ (Zweck: Flüchtlingshilfe)

Und wir dürfen auch beten. Für Geflüchtete, dass sie den Mut nicht verlieren. Dass ihre Kinder eine Bildungschance bekommen können und dass die Pandemie ihr Leben nicht zerstört. Für Menschen die Helfen: für Kraft und Weisheit, für Liebe und Geduld. Und für unser Herz, dass es sich nicht nur um uns dreht, sondern wir immer mehr den Blick für unseren Nächsten gewinnen. Vor allem für die Menschen in Not.

„Denn als ich hungrig war, habt ihr mir zu essen gegeben. Als ich Durst hatte, bekam ich von euch etwas zu trinken. Ich war ein Fremder bei euch, und ihr habt mich aufgenommen. Ich war nackt, ihr habt mir Kleidung gegeben. Ich war krank, und ihr habt mich besucht. Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.‘ Dann werden sie fragen: ‚Herr, wann bist du denn hungrig gewesen und wir haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und wir gaben dir zu trinken? Wann haben wir dir Gastfreundschaft gewährt, und wann bist du nackt gewesen und wir haben dir Kleider gebracht? Wann warst du denn krank oder im Gefängnis und wir haben dich besucht?‘ Der Richter wird ihnen dann antworten: ‚Das will ich euch sagen. Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan! (Matthäus 25, 35- 40)“

Jesus fordert uns auf, nicht wegzuschauen sondern den Blick auf die Menschen in Not zu richten, aktiv zu werden und zu helfen.

Liebe Grüße, Debora (ehemalige Freiwillige in den USA, Botschafter*in)

Fotocredits: SPIEGEL ONLINE https://www.spiegel.de/politik/deutschland/grosse-koalition-ringt-um-moria-fluechtlinge-nur-nicht-wieder-ewig-streiten-a-db6955d8-c0a7-46d6-bb23-5dd9d071ed2b

CD-Botschafter*innen sind Teil der Rückkehrer*innen-Arbeit von Christliche Dienste. Zurückgekehrte Freiwillige wurden im Rahmen eines FEB-Projektes (Förderprogramm Entwicklungspolitische Bildung durch engagement Global) zu Themen der Nachhaltigen Entwicklung fortgebildet. Das Botschafter*innen-Seminar fand im März 2020 statt und bot, neben Themeneinheiten, Raum für Vernetzung und Austausch.

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