Kein Schicksal – Armut ist gemacht

21. September 2020

„In einer begrenzten Welt ist Armutsbekämpfung ohne Reichtumsbeschränkung nicht zu erreichen.“   (Dr. Klaus Seitz, Brot für die Welt)

Hungernde Menschen im globalen Süden; Ausbeutung, keine Bildung, keine medizinische Versorgung. 3,4 Milliarden Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben[1]. 2,1 Milliarden Menschen ohne Zugang zu sauberen Trinkwasser[2],750 Millionen erwachsene Menschen die nicht Lesen und schreiben können[3].

Wir finden das schlimm, dass es Armut gibt. Vielleicht haben wir in der Schule mal einen Vortrag darüber gehalten. Vielleicht sogar hin und wieder etwas gespendet. Aber eigentlich beschäftigen wir uns nicht gerne damit. Es ist ein Schönheitsfehler in der Welt, wie wir sie gerne hätten. Ein Problem, dass immer größere Ausmaße anzunehmen scheint, je tiefer wir uns damit beschäftigen. Und deswegen verdrängen wir es, wählen den einfachen Weg der Ignoranz, obwohl wir wissen, dass das nicht der Weg ist zudem wir berufen sind.

Aber genau das kann und darf Armut nicht sein: Ein Thema das uns nicht betrifft, wenn wir es vergessen. Denn Armut ist kein Schicksal. Es ist kein Pech, oder gar ein Ergebnis von fehlendem Willen. Armut ist gemacht, eine zwingende Folge unseres Systems, Wirtschaftens und der Art wie wir Leben. Auch wir sind ein Zahnrad in dem großen Uhrwerk der Globalisierung und das stellt uns in eine Verantwortung.

Das Thema Armut ist viel zu komplex und vielschichtig, um es in einem Blogbeitrag umfassend zu beschreiben. Deshalb wollen wir euch an zwei Beispielen näher bringen, wie wir mit unserem Konsumverhalten zur Armut anderer beitragen.

Sauberes Trinkwasser. Nicht ohne Grund ein Menschenrecht, klar, ohne Wasser kann der Mensch nicht leben. Wir alle kennen das Gefühl von Durst und wissen auch, dass ohne Wasser nichts wachsen kann. Doch was haben der Durst und Wassermangel von anderen mit mir persönlich zu tun?

 

Laut dem Umweltbundesamt liegt der Durchschnittsverbrauch eines Deutschen täglich bei mehr als 3900 Litern Wasser.[1] Davon nutzen wir jedoch nur einen sehr kleinen Anteil für den alltäglichen Bedarf im Haushalt, wie z.B. duschen oder waschen. Fast der gesamte Wasserverbrauch versteckt sich in unserer Kleidung, den Lebensmitteln und all den Produkten, die wir kaufen. Man nennt es auch das ,,virtuelle Wasser’’, das Wasser, das zur Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen verbraucht wird. In den Tropen und Subtropen herrschen klimatisch günstigere Anbaubedingungen als in Mitteleuropa und Profit ist in diesen Ländern nur eine Frage des Wassers. Deshalb wird dort immer mehr künstlich bewässert, ohne Rücksicht auf Natur und Bevölkerung. So verlor zum Beispiel der Aralsee ganze 90 Prozent seines Wasservolumens für die Baumwollproduktion.[1] Zudem kommt es durch den weit verbreiteten Einsatz von Pestiziden zur Verschmutzung des Grundwassers und greift die Gesundheit der Menschen an. Unter den größten Wasserverschwendern sind Kakao, Kaffee und Rindfleisch. Wobei Kakao mit 27.000 vor Kaffee mit 21.000 und Rindfleisch mit 15.000 Litern für ein einziges Kilo Spitzenreiter ist. Unvorstellbare Wassermassen, die in viel zu selbstverständlichen Dingen stecken. Auch wenn der Anbau von Baumwolle und Reis weniger Wasser pro Kilo benötigt, sind die ökologischen Belastungen noch größer, denn ein Großteil des Wassers, das auch nicht aus Niederschlag, sondern künstlicher Bewässerung stammt, verdunstet oder versickert aus undichten Kanälen. Die Folge: Zu wenig Wasser für zu viele Menschen. Wasserknappheit ist sehr ernst.

 

Der Wasserbericht der UN dokumentiert, dass weltweit 2 Milliarden Menschen mit Wassermangel und Trockenstress zu kämpfen haben und über keine sanitären Einrichtungen und Abwasserreinigungssysteme verfügen. Das verursacht die meisten Krankheiten und begünstigt deren Ausbreitung.Täglich sterben mehr als 800 Kinder an Krankheiten, die durch Mangel an Hygiene oder verunreinigtem Wasser ausgelöst wurden und nicht selten kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen um das blaue Gold[2]. Und es kommt noch schlimmer: Der Klimawandel und der damit verbundene Temperaturanstieg stellt noch viele weitere Menschen vor riesige Probleme.

Doch für uns ist das Wasserproblem ganz weit weg. Wir importieren einfach die wasserintensiven Produkte, schonen unsere eigenen Wasserressourcen und blenden die Missstände aus, während die Menschen aus den Erzeugerländern die ökologischen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen tragen müssen. Den Preis für unseren Konsum bezahlen andere.[3]. 

Als weiteres Beispiel, wie Armut gemacht und auch unser persönliches Verhalten für Armut verantwortlich sein kann, sei Land Grabbing genannt.  Unter Land Grabbing versteht man das billige Aufkaufen oder Pachten großer fruchtbarer Agrarflächen in Entwicklungsländern durch ausländische Privatinvestoren und Konzerne. [1] Es ist ein Phänomen, das während der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 begann und seitdem stetig zunahm. Agrarflächen, die von einheimischen Bauern bereits über Generationen hinweg nach Gewohnheitsrecht bewirtschaftet wurden, werden gewaltsam entrissen. Oft  bestehen auch keine festen Landrechte, so dass der Kauf den Investoren leicht gemacht wird. Ohne das Land fehlt der ansässigen Bevölkerung jegliche Lebensgrundlage, die Bauern können sich nicht mehr ernähren und große Armut entsteht. So leben heute dreiviertel der chronisch Unterernährten in Gebieten, in denen vor allem Nahrungsmittel produziert werden.[2] Länder, die eigentlich reich an fruchtbaren Böden und auch wertvollen Rohstoffen sind, werden ausgebeutet. Eine Art Neo-Kolonialismus ist entstanden, vor den Augen der Weltbevölkerung.[3].

Nicht nur Investoren aus Ländern wie den USA, China oder den Golfstaaten betreiben den Landraub im großen Stil sondern auch europäische Firmen sind betroffen. [1] Die geraubten Flächen werden nur für rund 10% zum Anbau für Lebensmittel benutzt. Die restlichen Flächen verbleiben für den Anbau von Pflanzen für Agrartreibstoff, Palmölbäume, Futtermittel oder Genussmittel wie Kaffe. [2]

Und hier kommen wir als Konsument ins Spiel. Plötzlich sind wir die treibende Kraft des Ganzen, wenn wir dann einkaufen gehen: Der Diesel, der mit „Biodiesel“ gestreckt ist; das Fleisch, bei dem die Kuh mit dem Soja einer solchen Plantage ernährt wurde; das Palmöl in Lebensmitteln, Kosmetika, Waschmittel.

Wir müssen also unser eigenes Verhalten ändern, um die Armut jener zu bekämpfen, auf deren Kosten wir leben.

„In einer begrenzten Welt ist Armutsbekämpfung ohne Reichtumsbeschränkung nicht zu erreichen.“   (Dr. Klaus Seitz, Brot für die Welt)

Liebe Grüße Maximilian (ehem. FW in Südkorea, Botschafter) und Rahel (ehem. FW in den USA, Botschafter*in)

Fotocredits: Brot für Alle https://brotfueralle.ch/thema/land-grabbing/

CD-Botschafter*innen sind Teil der Rückkehrer*innen-Arbeit von Christliche Dienste. Zurückgekehrte Freiwillige wurden im Rahmen eines FEB-Projektes (Förderprogramm Entwicklungspolitische Bildung durch engagement Global) zu Themen der Nachhaltigen Entwicklung fortgebildet. Das Botschafter*innen-Seminar fand im März 2020 statt und bot, neben Themeneinheiten, Raum für Vernetzung und Austausch.

[1]https://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/Land_Grabbing/2017_Landgrabbing_und_Menschenrechte.pdf%20, S.11

[2] https://brotfueralle.ch/thema/land-grabbing/#:~:text=Vorwiegend%20Export%20und%20Cash%20Crops,f%C3%BCr%20den%20Export%20%2D%20zum%20Ziel.&text=Einen%20hohen%20Anteil%20machen%20so,beispielsweise%20%C3%96lpalmen%2C%20Mais%2C%20Soja.

[1] https://brotfueralle.ch/thema/land-grabbing/

[2] https://www.oxfam.de/system/files/hunger-auf-land_oxfam.pdf

[3] https://www.biorama.eu/landgrabbing-europa-neokolonialismus/

[1] https://www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/wasserverbrauch/wasser-verschwendung

[2] https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/weltwassertag-2020-zehn-fakten-ueber-wasser/172968

[3] Zum Ganzen: https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/wwf_studie_wasserfussabdruck.pdf

[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/wasserfussabdruck#was-ist-der-wasserfussabdruck

[1] https://www.migazin.de/2018/10/18/weltbank-bericht-milliarden-menschen-armutsgrenze/#:~:text=Weltweit%20leben%203%2C4%20Milliarden,immer%20weniger%20Menschen%20extrem%20arm., Stand 2018

[2] https://www.unesco.de/newsletter/2580/weltwasserbericht-2019-grosse-ungleichheiten-beim-zugang-zu-wasser-sperrfrist-19

[3] https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/296238/weltalphabetisierungstag

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